Deutschland ist weiterhin in Reiselaune, aber Reiseziele und Prioritäten verschieben sich

Sieht man sich um in der Welt, kann man schnell ins Grübeln kommen – was ist hier eigentlich los? Die Zeiten sind unruhig wie lange nicht mehr, viele empfinden die internationale Lage als beängstigend. Die Urlaubsplanung für das ganze Jahr ist in vollem Gange und so mancher fragt sich, wohin man denn überhaupt noch sicher reisen kann?

Krieg in Syrien, Terror in Ägypten und Tunesien, der bewaffnete Konflikt zwischen den Kurden und dem türkischen Staat, hundertausende auf der Flucht mit Seelenverkäufern übers Mittelmeer nach Europa unterwegs, der Abschuss des Urlaubsfliegers aus Russland üder dem Sinai und zuletzt die Anschläge von Paris und Istanbul – so sehen eigentlich keine guten Vorzeichen für die Reisebranche aus und man müßte sich nicht wundern, wenn Reisebuchungen und damit verbundene Umsätze drastisch zurückgehen.

Doch eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein, denn die weltweite Tourismusbranche erreichte mit fast 1,2 Milliarden Reisenden im Jahr 2015 laut den Erhebungen der Un-Welttourismusorganisation UNWTO mit Sitz in Madrid einen neuen Spitzenwert. Die 4,4 Prozent Steigerung im Vergleich zum Vorjahr führte zu einem Anstieg der Besucher in Europa, Amerika und Asien, während der Anzahl in Nordafrika bedingt durch die Terrorgefahr deutlich zurückging.

Als Touristen, die in die Zählung der UNWTO einfließen, gelten alles Reisenden, die mindestens eine Nacht im Ausland verbringen. Wie wichtig die Reisebranche weltweit ist, belegen andere Zahlen – nach UNWTO-Angaben hat der Tourismus weltweit direkt und indirekt einen Anteil von rund zehn Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und sichert rund neun Prozent der Arbeitsplätze.

Neben Faktoren wie der Entwicklung der Wechselkurse, dem Fall des Ölpreises und den Krisen an zahlreichen Orten, die das Reiseverhalten 2015 laut der UNWTO global beeinflusst haben, werden Reisepläne nach wie vor aber vor allem im Hinblick auf die persönliche Situation geschmiedet. Für Deutschland ermittelte die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (FUR) eine gewisse Stabilität in der Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Situation, wie sie in einem Jahr sein wird – 55 Prozent sehen keine Veränderung und 25 Prozent erwarten sogar eine Verbesserung.

Der Status von Reiseweltmeistern resultiert dabei seit Jahrzehnten aus dem hohen Stellenwert, den die Deutschen Urlaubsreisen im Vergleich zu anderen Konsumbereichen beimessen und der die Basis für eine konstante Urlaubsnachfrage ist. Die Befragung durch die FUR ergab, dass 58 Prozent auf die Frage, welche Dinge ihnen besonders wichtig sind, mit "Urlaubsreisen" antworteten – einen höheren Wert erreichte mit 62 Prozent nur die Kategorie "Lebensmittel".

Fernreisen und Kreuzfahrten sind besonders begehrt

Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) waren im touristischen Geschäftsjahr 2014/15, das am 31. Oktober endete, mit einem gestiegenen Anteil von 7,6 auf 8 Prozent am Gesamtumsatz Fernreisen besonders gefragt. Als Reiseziel konnte Kuba mit 25 Prozent den höchsten Zuwachs verzeichnen – offensichtlich wollten viele deutsche Urlauber Kuba noch als das Land von Fidel Castro kennenlernen bevor es von US-Touristen überschwemmt wird. Über mehr deutsche Urlauber als im Vorjahr konnten sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate mit 15 Prozent, die USA mit 11 Prozent und die Dominikanische Republik mit fünf Prozent Steigerung freuen.

Bei Urlaubern liegen auch Kreuzfahrten weiterhin voll im Trend. Der seit Jahren anhaltende Boom bei Schiffsreisen brachte diesem Segment 2015 in Deutschland einen Umsatz von über drei Milliarden Euro. Auch der Anteil an hochpreisigen Reisen von mehr als 2500 Euro pro Person legte deutlich zu. Auf der anderen Seiten beziffert das Statistische Bundesamt den Bevölkerungsanteil, der sich aus finanziellen Gründen überhaupt keine Urlaubsreisen leisten kann, auf ca. 20 Prozent der Deutschen und damit konstant hoch.

Ihre Reisen buchen deutsche Urlauber dabei immer noch bevorzugt in einem Reisebüro statt im Internet. Viele Kunden setzen besonders bei Fernreisen und teureren Reisen auf die persönliche Beratung, im Ergebnis werden vier von fünf Kreuzfahrten und ebenso viele Pauschalreisen im Reisebüro vermittelt.

Weltweit verdoppelte sich die Zahl der Touristen in den letzten 20 Jahren und die Reisebranche feiert das sechste Jahr in Folge mit einem Zuwachs von mehr als vier Prozent. Die UNWTO rechnet auch für dieses Jahr mit einer solchen Steigerung. Generalsekretär Taleb Rifai appelliertse sowohl an die Regierungen aller Länder, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, als auch an die Menschen, sich nicht aus Angst vor Attentaten vom Reisen abbringen zu lassen.

Die Frühbuchersaison für den Sommerurlaub 2016 ist in vollem Gange, lässt bereits jetzt ein gutes Ergebnis erwarten und zeigt, dass deutsche Urlauber auf sichere Reiseziele wie Deutschland, Italien, Griechenland, Spanien und Portugal setzen, während die Nachfrage nach Reisen in die Türkei oder nach Ägypten deutlich rückläufig ist. Bisher haben Krisen, Seuchen und Terrorakte nicht zu einem Verzicht aufs Reisen geführt, sondern lediglich zu einer Veränderung der Reiseströme – hin zu sicheren Reisezielen. Mit der Bedrohung durch Terror wird man wohl leben und reisen müssen, aber es wäre ein völlig falsches Signal, die Art zu leben davon allzu sehr einschränken zu lassen.